Bemerkungen des Landesrechnungshofes zur Bildungssituation in Schleswig-Holstein

Altersstruktur der Lehrkräfte und Ruhestand
Die Altersstruktur der Lehrkräfte hat sich verjüngt. In einigen Jahren wird die Zahl der Altersabgänge jedoch wieder deutlich ansteigen. Zudem arbeiten immer weniger Lehrkräfte bis zur Altersgrenze.
Dabei hat sich der Anteil der wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten im Zeitraum 2020 bis 2023 von 12,3 % auf 24,7 % verdoppelt.
Lehrkräftebedarf steigt deutlich an
Insgesamt wird die Zahl der Schüler an den allgemeinbildenden Schulen bis 2035/36 weiter um 26.000 steigen.
Das Bildungsministerium hat im Rahmen der Haushaltskonsolidierung Maßnahmen ergriffen, um den damit verbundenen Bedarfsanstieg abzumildern. Hierzu gehören eine Absenkung der Unterrichtsversorgung, Kürzungen in den Stundentafeln sowie eine wirtschaftlichere Gruppenbildung in den Oberstufen.
Dennoch würde der Lehrkräftebedarf an den allgemeinbildenden Schulen bis zum Schuljahr 2033/34 rechnerisch um mehr als 1.500 Stellen ansteigen, wenn keine weiteren Maßnahmen zur Reduzierung des Stellenbedarfs getroffen werden.
In den Mangelfächern potenzieren sich die Probleme
Für die Grundschulen und Gemeinschaftsschulen werden in SchleswigHolstein insgesamt zu wenige Lehrkräfte ausgebildet, obwohl die Universitäten über ausreichend Kapazitäten verfügen.
Die größten Lücken bestehen derzeit und mittelfristig im Grundschullehramt in den Fächern Musik, Kunst, Katholische Religion und Mathematik.
Im Gemeinschaftsschullehramt gibt es derzeit in den Fächern Englisch, Mathematik, Musik, Wirtschaft/Politik und Physik die größten Defizite.
Hinzu kommt in den nächsten Jahren Kunst. In einigen Fächern wird andererseits auch ein deutliches Überangebot an Lehrkräften erwartet – insbesondere in der Schulart Gymnasium.
Hochschulausbildung: Sinkende Anfängerzahlen und geringe Erfolgsquoten in Mangelfächern
Hingegen ist zuletzt die Zahl derjenigen, die ein Studium (Bachelor Lehramt) begonnen haben, drastisch zurückgegangen: Haben vor der Corona-Pandemie noch knapp über 1.000 Studierende ein Lehramtsstudium an der Universität Flensburg begonnen, waren es 2023 nur noch 700 (Kiel von 1200 auf 855).
Ein Problem ist unter anderem, dass Abiturienten aus dem südlichen Landesteil mit zunehmender Entfernung zum Wohnort nicht bereit sind, an einer der beiden lehramtsausbildenden Universitäten zu studieren. Dies betrifft vor allem die Universität Flensburg.
Es fangen aber nicht nur zu wenige junge Menschen ein Lehramtsstudium an, sondern es gehen auch im Studium zu viele potenzielle Lehrkräfte verloren. Dies gilt insbesondere für die Universität Kiel. Besonders niedrige Erfolgsquoten zeigen sich dort in den MINT-Fächern Mathematik, Physik und Informatik sowie auch in Latein und evangelischer Religion. Besser sieht es an der Uni Flensburg aus, aber auch hier gehen in den Mangelfächern zu viele Studierende verloren, insbesondere im Fach Mathematik.
Maßnahmen und Optionen des Bildungsministeriums
2022 hat das Bildungsministerium eine „Allianz für Lehrkräftebildung“ gegründet.
Mit Stand vom 01.10.2024 umfasste der Handlungsplan insgesamt 49 Maßnahmen. Davon entfallen die Mehrzahl auf das Studium sowie die Lehrkräfte im Schuldienst.
Einige Länder haben in Mangelfächern oder -bereichen vergütete duale Studiengänge eingeführt. Diese Entwicklung sollte das Bildungsministerium weiter beobachten.
Ein weiterer Ansatz in anderen Ländern ist es, Studierenden eine (nicht rückzahlbare) monatliche Zuwendung zu gewähren. Aufgrund dieser Förderung besteht z.B. die Verpflichtung , den Vorbereitungsdienst in einer festgelegten Bedarfsregion zu absolvieren.
Ein Augenmerk sollte aus der Sicht des LRH zudem auf die steigende Zahl von vorzeitig aus dem Dienst scheidenden Lehrkräften und die hohe Zahl an Teilzeitkräften gerichtet werden. Es sollte geprüft werden, wie die Arbeitsbedingungen in der Schule verbessert werden können, damit die Lehrkräfte länger im Schuldienst verbleiben und/oder ggf. mit einer höheren Stundenzahl beschäftigt werden.
So würde die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen verringert werden und die Lehrkräfte könnten sich auf ihre Kernaufgabe Unterricht konzentrieren. Der LRH empfiehlt weiterhin, zu erwägen, ein Mindeststundenmaß für die Teilzeitbeschäftigung einzuführen, soweit sich der Lehrkräftemangel dergestalt verschärft, dass freiwerdende Stellen nicht mehr nachbesetzt werden können.
Unterricht der LiV und Ausgleichstunden für die Lehrkräfte
Der LRH bemängelt, dass die 10 Wochenstunden eigenverantwortlichen Unterrichts nicht im Planstellenzuweisungsverfahren (PZV) berücksichtigt werden. Bei 1650 LiVs entspricht dies 610 Lehrerstellen. Auch liege Schleswig-Holstein mit vier Ausgleichstunden für die Mentoren bundesweit an der Spitze. Der LRH empfiehlt, von 4 auf 2 Ausgleichstunden pro LiV zu kürzen oder einen erhöhten Bedarf im Vergleich zu anderen Ländern valide zu begründen. Bislang werden keine Tätigkeitsnachweise der Ausbildungslehrkräfte erbracht und es existieren wenige verbindliche Vorgaben explizit für die Ausbildungstätigkeit der Schulen.
Im Bericht wird jedoch auch die Sicht des Bildungsministeriums dagegengestellt. Eine Reduktion auf 2 Ausgleichstunden würde die Bereitschaft der Schulen und Lehrkräfte, LiV auszubilden, senken. Durch eine Reduktion der Ermäßigung sieht das Bildungsministerium die Ausbildungsqualität gefährdet und es könnte aufgrund dessen möglicherweise zu einer erhöhten Zahl von Abbrüchen und nicht bestandenen Prüfungen kommen. Außerdem würden weniger Unterrichtsberatungen durch die Studienleitungen des IQSH als in anderen Ländern durchgeführt.
Der VBE Schleswig-Holstein begrüßt die realistische und nicht schöngefärbte Situationsbeschreibung zur Lehrkräfteversorgung im Land durch den Landesrechnungshof. Gerade bei der Abbrecherzahl der Lehramtsstudenten, der Entfernung der lehramtsausbildenden Universitäten zu den südlichen Landeskreisen, der Evaluation der Gründe für ein vorzeitiges Aus-dem-Amt-Scheiden von Lehrkräften und der hohen Zahl von Teilzeitkräften setzt der Verband Bildung und Erziehung ein dickes Ausrufezeichen. Insbesondere der Hinweis auf die notwendige Entlastung der Lehrkräfte und die daraus resultierende Konzentration auf die Kernaufgabe Unterricht ist eine seit Jahren immer wieder formulierte Forderung des Verbandes.
Die Ausweitung einer Studienmöglichkeit auch an die Westküste würde es den Schulen der unifernen Kreise und den Studenten erleichtern, Praktika anzubieten bzw. durchzuführen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die zukünftigen Lehrkräfte später als LiV und nach Abschluss der Ausbildung vor Ort bleiben, erscheint dann um ein Vielfaches höher.
Kritisch hingegen sehen wir die Ausführungen und Forderungen des LRH zur LiV-Ausbildung und begrüßen die ablehnende Haltung des Bildungsministeriums zur Kürzung der Mentorenstunden. Dies und die Berechnung der LiV-Stunden im PZV würde die Akzeptanz der Schulen, auszubilden, stark verringern.
Oluf Martinen
VBE Schleswig-Holstein
Juni 2025