Sonderpädagogische Förderung muss vollumfänglich zur Verfügung stehen – Grundsatzerklärung des VBE zur Sonderpädagogik

Im Zentrum sonderpädagogischen Handelns steht das einzelne Kind, der einzelne Jugendliche mit seinen individuellen Bedürfnissen. Ziel der sonderpädagogischen Förderung ist, die Schülerinnen und Schüler zur Teilhabe an der schulischen Bildung zu befähigen und soziale Teilhabe zu fördern, damit sie später ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Die Sonderpädagogik ist eine eigenständige Disziplin, die grundständig studiert wird und mit einem eigenen Referendariat abschließt.

Die Aufgaben der sonderpädagogischen Förderung umfassen

  • Diagnostik
  • Prävention
  • Förderung
  • Unterricht

Diagnostik:

Sonderschullehrkräfte diagnostizieren sonderpädagogische Förderbedarfe, die Grundlage für das schulisch-pädagogische Handeln sind. 

Sie erfassen lernprozessbegleitend die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und entwickeln daraus einen individuellen Förderplan. Dieser Förderplan ist die Grundlage für die Förderung und Leistungsbewertung.

Förderung und Unterricht

Die Förderung findet in einer Regelschule (allgemeinbildend, berufsbildend) inklusiv in gemeinsamem Unterricht oder an einem Förderzentrum selbst statt. Sie umfasst Beratung, Unterricht oder auch Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung fördernder Maßnahmen.

Sonderschullehrkräfte beraten und unterstützen die Regelschullehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen. Gemeinsam tragen sie die Verantwortung für den Unterricht der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen und für die Umsetzung und Evaluation der individuellen Förderpläne.

Im inklusiven Kontext beraten die Sonderschullehrkräfte Eltern und Regelschullehrkräfte bezüglich der förderbedarfsspezifischen Bedürfnisse. Fragen der Arbeitsplatzeinrichtung, des Classroom-Managements, der Raumgestaltung, der Methodenwahl, der Freizeitgestaltung, des Konfliktmanagements und vieles mehr werden gemeinsam entwickelt und umgesetzt.

Dabei sind Sonderschullehrkräfte immer Teil eines Beratungsnetzwerks. Die Zusammenarbeit mit Jugendämtern, Tages- und Wohngruppen, Ärztinnen und Ärzten, Psychiaterinnen und Psychiatern, Therapeutinnen und Therapeuten, Logopädinnen und Logopäden, schulpsychologischen Diensten, Erzieherinnen und Erziehern ist existentiell notwendig für die optimale Unterstützung der Schülerinnen und Schüler.

Bei Beschulung der Schülerinnen und Schüler an einem Förderzentrum kann den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen noch umfänglicher und individueller entsprochen werden, wenn es erforderlich und notwendig ist.

Prävention

Sonderschullehrkräfte sollen auch präventiv durch begleitende Beratung handeln. Ziel der Prävention ist, dass sonderpädagogischer Förderbedarf nach Möglichkeit abgewendet werden soll. Prävention findet in den Kindertagesstätten und in den Regelschulen statt.

Das Förderzentrum

Förderzentren sollen eigenständig sein. Alle sonderpädagogischen Förderschwerpunkte sollen in Schleswig-Holstein berücksichtigt werden können: Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung, geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Hören, Sehen, autistisches Verhalten sowie der Unterricht für kranke Schülerinnen und Schüler.

Ihr Verantwortungsbereich umfasst die allgemeinbildenden Schulen sowie Kindertageseinrichtungen.

Die Eigenständigkeit stärkt die Profession ihrer Lehrkräfte und garantiert die Orientierung auf den einzelnen Schüler bzw. die einzelne Schülerin in den jeweiligen Förderschwerpunkten.

Der VBE fordert:

Sonderpädagogik in Schleswig-Holstein muss so ausgestattet sein, dass sonderpädagogische Förderung jedem Schüler und jeder Schülerin im ganzen Land vollumfänglich zur Verfügung steht.

Lehrkräftemangel

Die Förderzentren müssen mit Lehrkräften so versorgt werden, dass sie den Bedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf umfassend nachkommen können. Der Mangel an Sonderschullehrkräften muss mit allem Nachdruck behoben werden, damit die lückenhafte Versorgung der Schülerinnen und Schüler ein baldiges Ende findet. Es muss sichergestellt sein, dass der Auftrag zur Förderung und Unterstützung sowohl in der Inklusion als auch an den Förderzentren umgesetzt werden kann.

Prävention

Der Übergang von der KiTa in die Grundschule ist der gravierendste Einschnitt in der Entwicklungsbiografie der Kinder, für belastete Kinder um Einiges mehr. Der Einsatz von Sonderpädagogen in Kita muss wieder reguläre Praxis werden.

Diagnostik

Ausschließlich ausgebildete Sonderschullehrkräfte sind befugt, sonderpädagogische Förderbedarfe für schulisch relevantes Handeln zu diagnostizieren.

Inklusion

  • Gemeinsamer Unterricht und gemeinsames Unterrichten finden in Absprache zwischen den Lehrkräften und den anderen Mitwirkenden des multiprofessionellen Teams statt. Besprechungszeiten sind als Gelingensbedingung professionellen Handelns elementar notwendig. Eine Ermäßigungsstunde ist für die beteiligten Lehrkräfte (Sonderschullehrkraft und Regelschullehrkraft) erforderlich.
  • Die Förderung muss bei den Schülerinnen und Schülern ankommen. Sonderschullehrkräfte dürfen nicht als Vertretungslehrkräfte im Regelschulsystem frei verfügbar sein.
  • Sonderschullehrkräfte haben in allen Konferenzen, in denen Beschlüsse Auswirkungen auf den sonderpädagogischen Förderbedarf einzelner Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf haben, Rede- und Stimmrecht.

Förderzentrum

  • Förderzentren müssen Schulen mit Schülern (im Haus) sein können. Können Kinder und Jugendliche mit deutlich erhöhtem Förder-und Assistenzbedarf in den jeweiligen Förderschwerpunkten inklusiv nicht angemessen gefördert werden, muss es für sie eine Möglichkeit der Beschulung in einem Förderzentrum geben. Eltern brauchen ein Wahlrecht zwischen beiden Förderorten.
  • Klassenlehrkräfte im Förderzentrum brauchen eine Ermäßigungsstunde für ihre koordinative Tätigkeit.

Leitungsaufgaben:

  • Für die Leitungsaufgaben in einem Förderzentrum muss die Besoldung unabhängig von der Schülerzahl geregelt sein.
  • Regelschulstandorte mit mehr als 100 Sonderschul-Lehrerwochenstunden müssen nach dem Leitungszeiterlass grundsätzlich wie Außenstellen des Förderzentrums behandelt werden. Die Außenstellenleitung muss im Schulleitungsteam der Regelschule beteiligt werden.
  • Förderzentren selbst brauchen für ihre Aufgaben eine zeitgemäße Ausstattung. Sie darf nicht von der Anzahl der Schülerinnen und Schüler im Stammhaus abhängen, sondern muss an LWStdn bzw. allgemeinen Schülerzahlen auch in der Inklusion orientiert sein.
  • Förderzentren müssen bei Schulbaumaßnahmen in ihrem Verantwortungsbereich angehört werden.