Das Einschränken von Teilzeit im Lehrberuf trifft vor allem Frauen!

Um den akuten Mangel an Lehrkräften zu bekämpfen, schlägt die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrem aktuellen Gutachten vor, die Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigungen einzuschränken. Anlässlich des Equal Pay Days am 7. März 2023 und des Internationalen Frauentags am 8. März 2023 stellt die Bundessprecherin der Frauen im VBE, Tanja Küsgens, fest:

„Teilzeit ist vielfach weiblich. Wer Teilzeit im Lehrberuf einschränkt, greift in die Selbstbestimmung von Frauen ein. Es hat gute Gründe, weshalb so viele Frauen in Teilzeit arbeiten. Sie übernehmen noch immer den Hauptteil der Carearbeit zu Hause, pflegen Angehörige oder kümmern sich um ihre Kinder. Wird ihnen die Möglichkeit genommen, Familie und Beruf zu vereinbaren, werden wir die Konsequenzen schon bald zu spüren bekommen.“

Die Bundessprecherin sieht, dass mittlerweile auch viele Männer sich um ihre Kinder kümmern und Aufgaben hälftig übernehmen möchten. Würde jetzt die Möglichkeit beschränkt, in Teilzeit zu arbeiten, wird diese gesellschaftliche Entwicklung schon im Aufkeimen gestoppt. Sie ist überzeugt: „Echte Gleichberechtigung braucht Wahlfreiheit. Viele wählen den Beruf als Lehrkraft, weil es Teil des Berufsversprechens ist, Arbeit und Familie vereinbaren zu können. Zumal ungeklärt bleibt, wer eigentlich auf die Kinder von Lehrkräften aufpasst, wo wir doch allgemein einen Mangel an Fachkräften in sozialen Berufen haben. Bleibt das eigene Kind dann unbetreut, um anderer Leute Kinder zwei Stunden länger in der Schule bilden zu können?“

Der Bundesvorsitzende des VBE, Gerhard Brand, unterstützt die Einschätzung der Bundessprecherin der Frauen im VBE. Er verweist auf einen weiteren Umstand, der zur hohen Teilzeitquote in Erziehungsberufen beiträgt: „Es gibt genügend Lehrkräfte, die aufgrund der enormen Belastung im Lehrberuf freiwillig in Teilzeit arbeiten, weil sie sonst an ihre psychischen und physischen Grenzen kämen. Eine Einschränkung dieser Möglichkeit wäre auch deshalb ein Frevel! Was wir wirklich brauchen, sind Entlastung von Verwaltungsaufgaben, Unterstützung durch multiprofessionelle Teams und eine auskömmliche Finanzierung aller Aufgaben, die Schule umsetzen soll. So gelingt zweierlei: Eine Stärkung der Attraktivität des Lehrberufs und das Begleiten gesellschaftlichen Wandels.“

VBE fordert differenzierte Beurteilung der Unterrichtsversorgung

Christian Schmarbeck, Landesvorsitzender des VBE Schleswig-Holstein
Christian Schmarbeck, Landesvorsitzender des VBE Schleswig-Holstein

Mit den Empfehlungen der SWK beißt sich die Katze in den Schwanz. Es ist geradezu absurd, dass durch Verschlechterungen in den Arbeitsbedingungen erfolgreich für den Lehrerberuf geworben werden soll.

In ihrer am 27. Januar vorgestellten Stellungnahme schlägt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (KMK) unter anderem vor, die Möglichkeiten der Lehrerinnen und Lehrer zu einer Teilzeitbeschäftigung zu begrenzen, die Zahl der zu gebenden Unterrichtsstunden befristet anzuheben und die Klassenstärken zu erhöhen.

Kieler Nachrichten

Für den VBE ist es ein bildungspolitischer Offenbarungseid:

Einfallslos und ungeachtet der extrem hohen Belastung der Lehrerschaft durch Corona, Krankheitswellen und eben den Lehrermangel wird Mehrarbeit durch Vorgriffsstunden und Einschränkung der Teilzeitmöglichkeiten empfohlen, ohne Entlastungen durch bessere Arbeitsbedingungen mitzudenken.

Auf dem Rücken der gleichen Lehrkräfte, die unsere Schulen systemrelevant gehalten haben, soll nun das System gerettet werden, indem diejenigen, die ausgelaugt sind, mehr arbeiten sollen.

Eine schlechte Werbung für den Lehrerberuf und das bewusste Inkaufnehmen vom Absinken der Unterrichtsqualität.

„Trotz jahrelanger Hinweise des VBE auf die anstehenden Personalprobleme in den Schulen hat die Politik in den letzten zehn Jahren nicht angemessen reagiert, sondern hat uns sehenden Auges in diese Situation geführt“, so Christian Schmarbeck, Landesvorsitzender des VBE in Schleswig-Holstein.

„Die Idee, dem Mangel so zu begegnen, dass die letzten noch vorhandenen Lehrkräfte mehr arbeiten und Lücken schließen sollen, ist an Absurdität nicht zu überbieten“. 

„Schon jetzt gibt es nicht genug Menschen, die sich für das Lehramt als Berufsweg interessieren. Auch deswegen, weil Schülerinnen und Schüler in der Regel tagtäglich mit Lehrkräften interagieren, die am Rande der Belastungsgrenze und darüber hinaus arbeiten, um das zu sinken drohende Schiff „Schule“ noch irgendwie leidlich über Wasser zu halten. Maßnahmen, die die Arbeitsbelastung noch weiter erhöhen, werden nur zwei Folgen haben.

1.       Es werden noch weniger junge Menschen Interesse an diesem Beruf, vielmehr diesen zum Scheitern verurteilenden Arbeitsbedingungen haben.

2.       Es werden zunehmend Lehrkräfte mittel- und langfristig erkranken, bzw. den Dienst quittieren, weil die Anforderungen an den Beruf und die gesellschaftlichen Erwartungshaltungen diametral im Gegensatz zu den zur Verfügung gestellten Arbeitsbedingungen stehen.“

 

Diesen Empfehlungen fehlt der Blick aufs Ganze.

Der VBE fordert zu einer differenzierten Beurteilung der derzeitigen Unterrichtslage auf:

  • Alle sofortigen Möglichkeiten müssen ausgelotet werden, wie mehr Unterricht ohne große Einschränkungen generiert werden kann und das möglichst freiwillig.
  • Weil Zeit fehlt, weil der Belastungsgrad zu hoch ist, wird Teilzeit so umfangreich genommen, wird der Ruhestand vorgezogen.
  • Unter welchen Bedingungen würden Lehrkräfte freiwillig auf Anteile ihrer Teilzeit verzichten?
  • Unter welchen Bedingungen würde vorgezogener Ruhestand hinausgeschoben? (siehe VBE „Standpunkte L … wie Lehrkräfte“ – www.vbe-sh.de)
  • Wie lassen sich mit der Bewilligung von Planstellen Kontingente für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte erwirken?
  • Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat die Politik, um die heutigen Lehrkräfte gesund zu erhalten?
  • Wann endlich werden die Lehrerverbände Teil der Allianz für Lehrkräftebildung? Bisher sind sie von der Teilnahme ausgeschlossen.

Diese Brechstangenpolitik ist Ausdruck absoluter Hilflosigkeit.

Ein weiteres Versagen der Politik, wenn die Länder diesen Empfehlungen so folgen.

Christian Schmarbeck, Landesvorsitzender des VBE Schleswig-Holstein